Heute möchte ich über einen aufregenden Spaziergang mit Happy End berichten.
Ich bin gestern Abend, so wie immer, mit meinen vier Lagotti im Wald spazieren gegangen. Alle vier Hunde waren im Freilauf. Lovelyn läuft immer etwas weiter voraus; kommt uns dann jemand entgegen, bellt sie einmal und kommt zu uns zurück. Ich habe somit Zeit, die anderen drei mit unserem ultragalaktischen Rückruf zu mir zu rufen. Wir verlassen den Weg, um 2 bis 3 Meter in den Wald zu gehen, wo wir dann abwarten, wer oder was uns entgegenkommt. Und tatsächlich: Ein Fahrradfahrer kam, blieb stehen und bedankte sich für die Aufmerksamkeit und das Abrufen der Hunde. Mit so einem positiven Feedback macht es Spaß, Leuten zu begegnen. Ich war stolz und hochmotiviert, unseren tollen Rückruf aufrechtzuerhalten. Für mich ist es das allerwichtigste Signal, und die Situation hat wieder bewiesen: es funktioniert.
Wir setzten unseren Spaziergang fort, als meine Hunde plötzlich an einer Stelle aufgeregt umhersprangen. Ich ging gleich hin und hörte ein Fiepen. Zuerst dachte ich, meinen Hunden wäre eine Maus über den Weg gelaufen (man beachte: Shakespeare hat Angst vor Mäusen, vielleicht ist er einmal von einer in die Nase gezwackt worden). Nein, ein kleines Vögelchen kauerte auf dem Boden. Es sah nicht verletzt aus, hatte schon Federn, war aber noch zu jung, um fliegen zu können. Vorsichtig setzte ich es in meine Hand und suchte nach weiteren Vögeln, aber dieser war wohl der einzige. Ob er wohl aus dem Nest gefallen war? Hier auf dem Boden hatte er keine Überlebungschance. Keiner meiner Hunde hatte den zarten Vogel verletzt. Was nun? Ich beschloss, die kleine Meise zum Tierarzt zu bringen; dieser hatte aber keinen Käfig und kein Futter und meinte nur, ich hätte den Vogel da sitzen lassen sollen, die Mutter wäre schon vorbeigekommen und hätte ihn mitgenommen! Dann brachte ich ihn zur Wildtierauffangstation. Hier wird er aufgepäppelt und dann wieder in die Freiheit entlassen!
Ich möchte euch meinen Aufbau des Rückrufs einmal vorstellen!
Was ist eigentlich ein Rückruf?
Für mich bedeutet es, dass der Hund im Begriff ist, einen Radius zu verlassen, den ich für sicher halte. Der Hund hat ein Ziel anvisiert und läuft dahin. Das kann eine Pipistelle sein, ein Spielkamerad, ein leckeres Brötchen oder eventuell eine interessante Hasenspur. Und ich möchte, weil ein anderer Weg kreuzt, ein Fußgänger entgegenkommt, ein Radfahrer überholt oder eine Straße in Sicht kommt, meinen Vierbeiner in meiner Nähe haben.
Ich möchte, dass der Hund auf mein Signal hin eine Kehrtwendung macht und in angemessenem Tempo zu mir zurückkommt, sodass ich ihn gegebenenfalls anleinen kann. Und das in allen Lebenssituationen!
Am besten fängt man den Rückruf, so wie ich ihn aufgebaut habe, schon mit seinem Welpen an. Beim Welpen macht man kleinere und kürzere Übungseinheiten. Auch Hunde, die bereits einen Rückruf kennen, der aber nicht die gewünschte Wirkung zeigt, können diesen Rückruf lernen.
Der Hund wägt immer ab, was für ihn lohnender ist: das, was er gerade tun möchte, in die Tat umzusetzen oder sich umzudrehen, um zum Besitzer zurückzulaufen. Für den Hund muss es erstrebenswerter, spannender und wichtiger sein, zum Besitzer zurückzukommen.
Diese Ausbildung zu einem guten Rückruf ist ein kontinuierlicher Weg, der eigentlich nie aufhört!
Ein Hund, der seinen Menschen immer im Augenwinkel hat, weil dieser immer eine Überraschung für ihn bereithält, wird leichter zum Zurückkommen zu motivieren sein als ein Hund, der mit einem Menschen unterwegs ist, der sich nicht für seinen Vierbeiner interessiert, denn der Vierbeiner wird sich dann auch nicht für seinen Menschen interessieren. Diese gehen zwar gemeinsam spazieren, aber jeder macht sein eigenes Ding (das beobachte ich oft), und warum sollte der Hund dann zurückkommen?
Hier sind die einzelnen Schritte zu einem sicheren Rückruf!
1. Die Aufmerksamkeit des Vierbeiners auf seinen Menschen lenken.
Das Erste, was wir also haben möchten, ist die Aufmerksamkeit unseres Vierbeiners. Ich belohne jedes, aber auch wirklich jedes Zurückorientieren des Hundes mit einem kleinen Leckerchen. Zuerst reicht mir ein kleines Angucken aus zwei bis drei Metern Entfernung aus. Dafür erhält er ein Lobwort und ein Leckerchen, welches er sich bei mir abholen muss. Diese müssen aber Leckerchen sein, die er sonst nie bekommt und für die er wirklich alles tun würde.
2. Längerer Blickkontakt.
Nach mehreren Spaziergängen wird man feststellen, dass der Hund gerne und oft den Blickkontakt sucht. Ich will kein „neben mir gehen mit angucken“ haben, also darf er sich ruhig entfernen, um dann wieder Kontakt zu mir aufzunehmen.
3. Signal einführen
Wenn der Vierbeiner mich jetzt anschaut und aus kurzer Entfernung zu mir kommt, um sein Leckerchen abzuholen, gebe ich mein Signal. Ich gebe also mein Signal immer dann, wenn mein Vierbeiner schon auf dem Weg zu mir ist! Dies mache ich auch wirklich oft!
Ich pfeife (ohne Pfeife) einen Doppelpfiff. Ich habe dieses Signal gewählt, weil es in meinem Alltag sonst nicht vorkommt und nutze keine Pfeife, weil ich Bedenken habe, dass ich auch mal ohne Pfeife meinen Rückruf brauchen könnte. Mein Pfeifen kann auch nicht wirklich ärgerlich klingen und laut genug ist es auch (Hunde haben ein ausgezeichnetes Gehör und wenn er den Pfeifton nicht mehr hören kann, dann ist er für mich definitiv zu weit weg und ich habe nicht aufgepasst!). Aber jedes andere Signal ist auch in Ordnung; man sollte sich nur ein paar Gedanken dazu machen.
4. Signal vor dem Blickkontakt.
Dann fange ich an, ihn mit meinem Doppelpfiff zurückzurufen, wenn ich sehe, dass er mich anschauen möchte, also vor dem Blickkontakt.
5. Distanz einbauen.
Jetzt steigere ich die Schwierigkeit, indem ich mal pfeife, wenn er entspannt in kurzer Entfernung läuft. Wichtig: Er hat sonst nichts Spannendes im Kopf oder in der Nase und ich verwette 100 Euro, dass er zu mir kommen wird.
Bei mir gibt es dann eine Riesenparty, immer mit Überraschungsleckerlies, und ich leine meinen Vierbeiner nach dem Abrufen nur selten an. Er darf oft wieder loslaufen (mit Freizeichen natürlich), oder ich leine ihn an und lasse ihn aber sofort wieder frei.
6. Ablenkung einbauen.
Dann baue ich Ablenkung ein, die ich selbst steuern kann, und zwar immer so, dass ich mir absolut sicher bin, dass mein Hund auch kommen wird. Ich kann ein Spielzeug ablegen, ich kann ein wenig herumzappeln (also so tun, als ob ich nicht mit meiner ganzen Aufmerksamkeit bei ihm bin), jemanden vorbeigehen lassen, ...
7. Ablenkung erhöhen.
Die Ablenkung sollte jetzt in kleinen Schritten erhöht werden und zwar immer so, dass ich mir absolut sicher bin, dass mein Hund auf mein Signal hin zurückkommen wird.
8. Nie aufhören, den Rückruf zu üben.
Ich baue den Rückruf in jedem Spaziergang ein, bleibe also kontinuierlich dran, ihn zu üben. Ein- bis dreimal pro Spaziergang reicht aus.
Der Hund kann während dieser Ausbildungszeit im Freilauf sein oder ich sichere ihn an der Schleppleine.
Wichtig ist wirklich, dass ich diesen Rückruf nur einsetze, wenn ich mir zu hundert Prozent sicher bin, dass er ihn befolgen wird! Sonst rufe ich meinen Hund halt wie immer zurück, mit seinem Namen oder „Komm“ oder „Hierher“ oder ich kann ihn mit der Schleppleine zu mir heranziehen.
Ich achte aber auch auf meine Körpersprache, besonders am Anfang der Ausbildung, weil es sonst gerade mit den hochsensiblen Lagotti leicht passieren kann, dass sie sagen: „Oh, mein Frauchen ist schlecht gelaunt, gehen wir mal lieber nicht so nah ran“! Das heißt, ich stehe nicht hoch aufgerichtet frontal zu ihrer Laufrichtung, sondern wende mich ein wenig ab, und wenn nötig (so wie bei meinem Shakespeare) gehe ich sogar in die Hocke, damit ich nicht so bedrohlich aussehe und ich mich nicht ungewollt über ihn beuge beim Anleinen.
Ich kann nur noch einmal betonen, dass bei jedem Zurückkommen bei mir immer eine Riesenparty stattfindet. Vielleicht mit Überraschungsleckerlies, mit einem Spielzeug, mit einem Suchspiel, eben mit allem, was der Vierbeiner besonders gerne mag! Angefasst werden wie Tätscheln oder Streicheln ist für die meisten Vierbeiner keine Belohnung, sondern sie fühlen sich dabei äußerst unwohl. Dies ist deutlich an ihrer Körpersprache zu erkennen. Tipp: Einfach mal ein Video aufnehmen und in Ruhe betrachten. Also nicht denken: „Oh, jetzt kann er den Rückruf, jetzt brauche ich keine supergute Belohnung mehr!“
Wichtig ist aber auch, dass der Hund nie die Erfahrung machen sollte, wie es sich anfühlt, nicht zurückzukommen, weil er einem Reh oder einem Hasen hinterläuft. Auch biologische Vorgänge spielen hier eine wichtige Rolle; schon beim Hinterherlaufen oder beim Hetzen (ohne Jagderfolg) wird der Hund in einen Rauschzustand versetzt und es werden Selbstbelohnungssysteme aktiviert. Der Hund wird versuchen, diese Situation, die die Ausschüttung von Glückshormonen auslöst, immer wieder, immer leichter, immer schneller herzustellen.
Es ist also wichtig zu verstehen, dass unser Vierbeiner alles vergessen soll, wenn wir ihn zurückrufen. Wir müssen also mit dem konkurrierenden Reiz (Spielkumpel, Reh, Buddeln, Wildspur) wetteifern und ein wichtiges Argument (Belohnung) in der Hand haben, um ihn zu überzeugen. Und er sollte nicht die Erfahrung machen, dass es doch möglich ist, dem Rückruf zu widerstehen. Dies bedingt auch, dass wir die Umgebung immer im Auge haben, also einen Rundumblick bekommen und voraussehen, wo eine Gefahr lauert, um unseren Vierbeiner so früh wie möglich abzurufen, bevor er in der Situation drin ist.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Trainieren, und ja, das Training sollte Spaß machen! Freut euch mit eurem Hund, wenn er auf euch zugelaufen kommt.
Ich wünsche dir viel Spaß und Erfolg beim Trainieren, und wie immer, falls du eine Frage hast, dann melde dich bei mir – koerfer.jacqueline@outlook.com !
Deine Jacqueline